EU-BEITRITT BULGARIENS ZUM 1. JANUAR 2007

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Frau

Bridget Czarnota

Head of Unit

Bulgarian team

European Commission

Office: CHAR 03/186

BE-1049 Brussels

 

Fax: + 32-2-295.36.44

 

Kopie: Dr. Hinrich Meyer-Gerbaulet; Dr. Olli Rehn; Hr. José Manuel Barroso

 

Sofia, postavete tuk datata na puskaneto na pismoto (az bih go pusnala predi tova po fax)

 

Sehr geehrte Frau Czarnota,

 

wir erlauben uns, Ihnen heute zu schreiben, um uns erstmals ganz herzlich für Ihre wertvolle Stellungnahme gemäss Ihrem Brief vom 31. März 2006 zuhanden von Frau Kristina Slavova, Präsidentin der Nichtregierungsorganisation „Mit Der Natur Per Du“, zu bedanken.

Gleichzeitig möchten wir Sie über eine Verletzung des Verfahrens hinsichtlich der Ausarbeitung des Tierschutzgesetzentwurfes informieren.

 

Grundsätzliche Textinhalte, welche die gesetzliche Regelung der Methoden zur Kontrolle der Überpopulation der Strassenhunde betrafen, wurden geändert. Dies geschah ohne  Rücksprache bzw. Koordination mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die gemäss Beschluss PD 09-50 vom 24.01.2006 des Ministers für Landwirtschaft und Wälder mit der Ausarbeitung des Entwurfes zum ersten bulgarischen Tierschutzgesetz beauftragt wurde. Die neue, abgeänderte Fassung des Gesetzentwurfes sieht die Fortsetzung der bisherigen Tötungspolitik als Massnahme zur Minderung der Population der herrenlosen Tiere vor – eine Vorgehensweise, welche sich während der letzten 15 Jahre als absolut nutzlos erwiesen hat.

 

Wir erlauben uns nun, Ihnen unsere begründeten Befürchtungen mitzuteilen, dass diese ordnungswidrige Einmischung in der Gesetzgebungsinitiative genau den Korruptionsinteressen und der Grauwirtschaft dient, hinsichtlich der Veruntreuung von Gemeindefinanzmitteln und des Missbrauchs der Tiere als kostenlose Rohstoffquelle zur illegalen Produktion von diversen Erzeugnissen (Felle, Tiermehl, Fleisch, etc.).

 

Wir, die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen und der Studenten der grössten bulgarischen Universität, durften als gleichrangige Mitglieder der Arbeitsgruppe fungieren, die gemäss oben genannten Ministerbeschlusses mit der Ausarbeitung des Entwurfes zum ersten bulgarischen Tierschutzgesetz beauftragt wurde.

 

An dieser Arbeitsgruppe beteiligten sich alle kompetenten Behörden und Interessenparteien: Experten der Nationalen Veterinärmedizinischen Behörde (NVMS), Vertreter des Ministeriums für Landwirtschaft und Wälder, des Ministeriums für Umwelt und Gewässer, des Gesundheitsministeriums, der Gemeindebehörden sowie wir, die Vertreter des Bürgerssektors bzw. der Bürgerinitiative.

Die Formulierungen im gemeinsam ausgearbeiteten Gesetzentwurf basierten auf Texte der österreichischen, slowenischen und griechischen Tierschutzgesetze. Sie standen im Einklang mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mit der Position der bulgarischen Regierung, welche Ihnen bereits vorliegen müsste, sowie mit den nachweislich erfolgreichen europäischen Praktiken hinsichtlich nachhaltiger Lösung der Problematik mit den herrenlosen Tieren.

 

Die Grundsätze des Gesetzentwurfes liessen sich folgendermassen kurz umschreiben:

 

  1. Einführung der Grundprinzipien des Tierschutzgedankens;
  2. Kriminalisierung der schweren Tierquälerei und der Tierkämpfe;
  3. Kontrolle der Population der Haustiere durch dauerhafte Kennzeichnung;  Reglementierung der artgerechten Haltung durch Vorschriften hinsichtlich der Grösse des Tieres und der Grösse der Wohnung des Tierhalters;
  4. Anwendung der durch die WHO anerkannten und weltweit erfolgreich angewendeten Methoden zur Populationsminderung der herrenlosen Hunde, stützend auf das Prinzip der Kastration und Wiederfreilassung der sozialisierten und gesunden Tiere; Förderung und Unterstützung von Adoptionsprogrammen für herrenlose Tiere; Anwendung von mobilen Kastrationskliniken zwecks Beschleunigung der Ergebnisse einer dauerhaften und nachhaltigen Populationskontrolle;
  5. Eliminierung des Begriffs „Isolator“ – eine in der europäischen Gesetzgebung unbekannte Wortdefinition, welche im Klartext eine Einrichtung für Massentötung von herrenlosen und Haushunden bedeutet; Einführung der Begriffsbestimmung „Tierheim“.

 

Alle Teilnehmer der oben genannten Arbeitsgruppe hatten dem so vorliegenden Gesetzentwurf zugestimmt und mit ihren Unterschriften jede einzelne Seite bestätigt. Namentlich wurde die Gesetzvorlage somit durch folgende Personen unterzeichnet:
Herr Dr. Paskal Zgeljazkov, Vorsitzender der Arbeitsgruppe und stellvertretender Direktor der Nationalen Veterinärmedizinischen Behörde (NVMS), Frau Dr. Madlen Vasileva, Abteilung „Europäische Integration“ bei der NVMS, Frau Sofia Ivanova, stellvertretend für sechs Tierschutzorganisationen sowie Frau Radostina Galitionova, Vertreterin der Stundentenverbindung der Universität „St. Kliment Ohridski“, Stadt Sofia.

 

Mit Bedauern stellten wir nun fest, dass diese durch die Arbeitsgruppe gemeinsam erstellten und koordinierten Textinhalte ohne unser Wissen geändert worden sind.  

 

Die vorgenommenen Änderungen betreffen:

 

  1. Die Methoden zur Verringerung der Population der herrenlosen Tiere;
  2. Die Einführung des Begriffes „Tierheim“ und in diesem Zusammenhang die vorgesehene Pflicht der Gemeindeverwaltungen, Tierheime für die herrenlosen Tiere zu errichten;
  3. Die Anzahl Haustiere, die von den Bürgern gehalten werden dürfen.

 

Gemäss den geänderten Gesetzentwurftexten wird folgendes vorgesehen:

 

  1. Euthanasie der herrenlosen Hunde nach einer 7-tägigen Aufenthaltsfrist in den Gemeindeisolatoren, wobei die Prozedur des Fangens und Isolatoraufenthalts mit anschliessender Euthanasie der herrenlosen Hunde künftig nur ausserhalb der Jagdgebiete zur Anwendung kommen soll. Dadurch wird der Abschuss von herrenlosen Tieren innerhalb der Jagdgebiete genehmigt, denn man bedenke: In der Republik Bulgarien sind fast ausnahmslos alle Territorialbereiche ausserhalb der Ortschaften und Siedlungen Jagdgebiete;
  2. Der Begriff „Isolator“ sowie die Pflicht der Gemeinden, „Isolatoren“ für die Massenvernichtung der herrenlosen Hunde zu errichten, bleiben erhalten;
  3. Die Rechte der bulgarischen Bürger werden eingeschränkt durch das Verbot, nicht mehr als drei Hunde oder drei Katzen in ihren eigenen Wohnungen zu halten. Dadurch würde der Gesetzgeber ein massenhaftes Aussetzen von Haustieren provozieren: Ein Umstand, welcher zur Folge hätte, dass die Population der herrenlosen Tiere noch weiter zunimmt. Zudem würde ein solches Verbot zur  heimlichen Haustierhaltung führen aus erklärbaren Gründen: berechtige Angst der Tierbesitzer vor gewaltsamen Beschlagnahmungen mit anschliessender Tötung ihrer „überzähligen“, dennoch gesunden und erwünschten Haustieren. Dies würde in der Folge zur erschwerten Kontrollmöglichkeiten der artgerechten Haltung führen. All diese Faktoren können ihrerseits zur sozialen Spannungen und drastischer Anstieg der Beschwerden gegen Haustierhalter führen, was nicht nur als ethischen und tierschützerischen Gründen sehr bedenklich wäre;  
  4. Der Einsatz von mobilen Kastrationskliniken als effektive und rasche Erfolge verzeichnende Massnahme zur Minderung der Population der Strassentiere wird gestrichen.

 

Es uns ein Anliegen, nochmals zu betonen, dass wir als Vertreter der Bürgerinitiative über die Textüberarbeitungen bzw. Inhaltsänderungen nicht in Kenntnis gesetzt wurden. Die Textwechsel wurden ohne stichhaltige Motivierung und Begründung im Verlauf der Koordinierung des Gesetzentwurfes mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Wälder vorgenommen. Tatsache ist, dass keine der zuständigen Direktionen dieses Ministeriums solche Änderungen auch nur vorgeschlagen hatte. Derartige Inhaltsänderungen wurden einzig durch den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Sofia vorgeschlagen. Wir finden es absolut fragwürdig, mit welcher Begründung seine Änderungen ohne Besprechung und Diskussion angenommen werden konnten – besonders, wenn man berücksichtigt, dass die offizielle Position des Bürgermeisters von Sofia - wie Sie vermutlich wissen - anders lautend ist und unserem eigenen Standpunkt ähnlich ist.

 

Mehr noch: Der abgeänderte Gesetzentwurftext wurde für Abstimmung bei dem Ministerrat und den weiteren zuständigen bulgarischen Institutionen deponiert – erneuert ohne unser Wissen. Das ist im Wesentlichen eine Urkundenfälschung und dadurch werden der Ruf und die Autorität des Bürgerssektors als Deckmantel für die Durchsetzung irgendwelcher Finanzinteressen missbraucht.

 

Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung im Rahmen Ihrer Befugnisse, damit der authentische Gesetzentwurf, welcher die Position der bulgarischen Gesellschaft widerspiegelt und mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) abgestimmt ist, wiederhergestellt werden kann.

 

Wir wenden uns an Sie im Hinblick auf den bevorstehenden Eintritt Bulgariens in die Europäische Gemeinschaft sowie durch den Wunsch geleitet, die Grundprinzipien der europäischen Werte - für welche die Europäische Kommission als Garant steht - in unserem Land durchsetzen zu können. Humanismus, Demokratie und Transparenz der Arbeit der Staatsinstitutionen – das sind die Werte, auf die wir vertrauen und deren baldige Umsetzung wir uns in Bulgarien wünschen.

 

Wir danken Ihnen schon jetzt für Ihre Unterstützung und möchten Ihnen unsere volle Bereitschaft für eine künftige Zusammenarbeit zusichern.